Der EPR in Finnland -Teil2-

Sailor Moon

Fleet Captain Special
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Hallo,

leider war der Orginal-Beitrag schon geschlossen. Da dort wieder einmal die Emotionen hochgekocht sind -wie eigentlich immer bei dem Thema- versuche ich an der Stelle mal die Wogen etwas zu glätten.
Ich frage mich als erstes, warum an dieser Stelle dann immer auf die Situation in Deutschland geschlossen wird. Ein neues KKW für Deutschland ist ausgeschlossen, egal ob Frau Merkel den geschlossenen Konsens (man beachte dieses Wort) rückgängig macht oder nicht. Die Energieversorger haben auf breiter Front erklärt, dass ein Neubau aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten kein Thema wäre (hier spielt neben den Kosten, der fast nicht vorhandene Regelbereich (u.a. aufgrund der Xenon Problematik und die an einem Ort konzentrierte Leistung hinhein; der Trend geht aber eher in Richtung kleinerer Blockgrößen). Und dies interessanterweise bereits ab Mitte der 90er Jahre. Die enormen Kostensteigerungen und das Aus für den Traum vom geschlossenen Brennstoffkreislauf haben hier natürlich reingespielt. Ebenso die nicht im Ansatz gegangenen Verheißungen der internationalen Atomenergiebehörde aus den 70ern (der weltweite KKW Park ist gerade mal 1/12 so groß wie anno 74 prognostiziert; Brüter spielen -Gott sei Dank- nachdem auch Japan "ausgestiegen ist" (und dem Eindruck von Monju und Tokaimura) keine Rolle). Die installierte Basis soll aber natürlich so lange wie möglich erhalten werden. Im Detail hatte ich die ganzen Zusammenhänge hier dargelegt; ich mache jetzt kein C&P, man muß die Serverdatenbank ja nicht unnötig belasten, wenn man es schonmal geschrieben hat.
http://www.planet3dnow.de/vbulletin/showthread.php?p=2377737#post2377737

Der EPR ist nun eine evolutionäre Konvoi-Anlage. Man hatte Anfangs here Ziele bezgl. der Sicherheit, die aber -eben aufgrund von Kostenerwägungen; und da man sich endlich bewußt war, dass Laborexperimente nicht auf den Großversuch übertragen werden können (siehe den angeblich inhärent sicheren THTR)- leider immer weiter verwässsert wurden. Was wir jetzt haben, ist ein Reaktor mit recht hoher Leistungsdichte, der einen Kernfänger und Zündkerzen enthält. Beides Konsequenzen aus Erfahrungen u.a. mit der Havarie in Harrisburg, bei der man ja nur ganz knapp an einer Kernschmelze und einer Zerstörung des Containments vorbeigerutscht ist. Die Katalysereaktionen des Zirkaloy hatte man einfach nie einkalkuliert. Ob diese Maßnahmen wirklich helfen, wage ich zu bezweifeln. Insbesondere der Kernfänger könnte die Katastrophe bei einer Kernschmelze dann noch früher auslösen. Ähnlich die Zündkerzen. Simulationen helfen bei solch komplexen Abläufen nur sehr bedingt. Insofern lehne ich mich nicht zuweit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass es sich beim EPR im Prinzip um eine normale Konvoi Anlage handelt, die mit höherer Leistung gefahren wird. An dieser Stelle nun doch einmal ein C&P: [...] Bleibt also die Leichtwasserlinie. Natürlich läuft alles auf den EPR hinaus. Dürfte dieser denn in seiner jetzigen Form überhaupt im eigenen Land gebaut werden? Zur Beantwortung dieser Frage beziehe ich mich u.a. auf die "Untersuchung zur Nachhaltigkeit der Kernenergienutzung" vom Mai 2001 im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Hier wird festgehalten, dass "[...] „Für die geplante neue Druckwasser-Reaktorlinie, den Europäischen Druckwasserreaktor EPR, wurde bisher kein hinreichender Nachweis erbracht, daß er den Anforderungen des novellierten Atomgesetzes genügen würde. Zur Zeit wird von dem Entwickler-Konsortium versucht, diese Nachweise rein rechnerisch zu führen (HAHN,1998). Unabhängig davon wurden in zahlreichen Kleinversuchen aber hohe Unsicherheiten bei der Vorhersagemöglicher Abläufe bei einer Kernschmelze und deren Folgen festgestellt, so daß bestimmte Risiken bei Kernschmelzunfällen generell als unberechenbar eingestuft werden müssen (Reimann, 1997; Tz. 1289)."
Zusätzlich: "[...] Andere Autoren aber sind bezüglich des EPR weniger optimistisch. Die negative Einschätzung des SRU wurde bereits vorgetragen. Eine ausführliche Analyse verschiedener technischer Alternativen, nicht nur des EPR, seitens der hessischen Stiftung für Konfliktforschung und des Öko-Instituts für das europäische Parlament halten die bisher vorgelegten Nachweisversuche für nicht überzeugend (vgl. auch die Gutachten des Sollner- Instituts 1989, s. Funkkolleg Technik 1995).[...]".

An dieser Stelle erscheint es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Änderungen im Atomgesetz, die zu diesem Dilemma führen, bereits 1994 (!) unter einer Regierung Kohl festgesetzt wurden. Interessant auch, dass bei dieser Novellerierung, die Verpflichtung zur Aufbereitung ausgehebelt wurde (erst hier verabschiedete man sich also dann nachhaltig vom Traum des geschlossenen Brennstoffkreislaufes durch schnelle Brüter). Leider waren bis dahin schon äußert langandauernede Verträge Seitens deutscher KKW-Betreiber geschlossen. Außer Frage steht aber an dieser Stelle, dass die "aktuellen" Konvoi KKWs in dieser Form nicht mehr gebaut werden dürften. Ich will damit keine Panik verbreiten, halte selbst die Regelung mit einer Abschaltung nach der vorgesehenen Laufzeit für sinnvoll, aber das sollte man sich doch mal "im Hinterkopf" behalten, bei all der Diskussion. [...]"

Kurz gefaßt: Ein Bau in Deutschland wäre -selbst wenn die Verbundunternehmen ihre Ansichten um 100% drehen würden, und der Konsens rückgängig gemacht würde, nicht wirklich einfach; man müßte auch noch das 1994 novellierte Atomgesetz ändern. Alles sehr unwahrscheinlich.



-Sicherheit Teil1 - Temelin und Co im Vergleich zu unseren Anlagen:

Ist ein von Westinghouse nachgerüsteter WWER 1000, der auf dem -ich sprach es an- recht gutmütigen WWER 440/213 basiert. Anlaß zur Sorge gibt es im nuklearen Bereich dort nicht mehr oder weniger als bei unseren Druckwasseranlagen*. Aufgrund der enormen Bauverzögerungen kam es zu ein paar Sorgen um den recht seltenen 1000MW Turbosatz, der nicht ausreichend konserviert wurde. Das ist aber ein Problem im nichtnuklearen Bereich der Anlage. Wir sprechen hier ja nicht von einer Siedewasserausführung. Wer also ein Problem mit Temelin hat, muß auch so ehrlich sein und ins eigene Land schauen. Selbst die GRS hält bereits im Jahr 2000 fest, daß "die ausführungsunabhängigen Sicherheitsanforderungen des deutschen Regelwerks bei den im KKW-T vorgesehenen Konzepten und Sicherheitsmaßnahmen zur Beseitigung der bekannten Defizite von Standard-WWER-1000 weitgehend eingehalten werden." Ich will damit Temelin keineswegs über den Klee loben, nur darauf hinweisen, dass der gern propagierte riesige Unterschied zu unseren Anlagen nicht da ist.

Und natürlich gibt es wahre Problemanlagen im Osten. Aber Temelin versperrt da völlig den Blick. Was ist mit Bohunice V1? Sollte -nachdem mit Mitteln der EU- Mochovce (übrigens zwei WWER 440/213; dafür war man sich dann also nicht zu Schade, Finanzhilfen zu geben) fertiggestellt wurde, längst vom Netz gehen. V1 sind zwei Blöcke vom Typ WWER 440/230. Recht gravierende Unterschiede zur evolutionären 213er Version, die unter anderem über eine Naßkondensation verfügt, welche ein Containment recht gut ersetzt (im Ernstfall kann wie gesagt auch ein Volldruckcontainment versagen). Temelin ist also mit dem Blick auf die Problemanlagen im Osten nicht das zentrale Problem. Wird aber immer gerne angeführt. Ganz grundsätzliche Sicherheitsbedenken -wie schon gesagt- mal ausgeklammert. Die greifen aber in Temelin genauso, wie in unseren aktuellsten Konvoi Anlagen.

- Die deutschen Anlagen sind die Sichersten":

Generell würde ich die KKWs im Osten auch nicht alle als unsicherer einstufen. Natürlich sind RBMK und WWER 440/230 wirklich brandgefährlich und hochproblematisch (wobei gerade die RBMKs auch eine Reihe von Nachrüstungen hinter sich haben und nun in den überwiegenden Betriebsregimes einen negativen bis leicht postiven Void Effekt aufweisen), aber gerade die recht gutmütigen WWER 440/213 sehe ich nicht problematischer als unsere Anlagen, selbst wenn -wie schon erwähnt- ein Volldruckcontainemt fehlt. Die Naßkondensation wirkt aber ähnlich, und im Ernstfall wird auch ein Containment versagen (bei der massiven Wasserstofffreisetzung u.a. bei der Havarie in Tschernobyl -durch Katalyserreaktionen des Zirkaloy- hätte auch das schönste Containment nicht geholfen). Im direkten Vergleich mit unseren Anlagen halte ich den WWER 1000 als auch den WWER 440/213 als nicht überproblematisch.
Gerne wird ja auf Temelin geschaut; ein zweischneidiges Schwert. Das ist ein von Westinghouse nachgerüsteter WWER 1000, der auf dem -ich sprach es an- recht gutmütigen WWER 440/213 basiert. Anlaß zur Sorge gibt es im nuklearen Bereich dort nicht mehr oder weniger als bei unseren Druckwasseranlagen*. Aufgrund der enormen Bauverzögerungen kam es zu ein paar Sorgen um den recht seltenen 1000MW Turbosatz, der nicht ausreichend konserviert wurde. Das ist aber ein Problem im nichtnuklearen Bereich der Anlage. Wir sprechen hier ja nicht von einer Siedewasserausführung.
Daher: Wer ein Problem mit Temelin hat, muß auch so ehrlich sein und ins eigene Land schauen. Selbst die GRS hält bereits im Jahr 2000 fest, daß "die ausführungsunabhängigen Sicherheitsanforderungen des deutschen Regelwerks bei den im KKW-T vorgesehenen Konzepten und Sicherheitsmaßnahmen zur Beseitigung der bekannten Defizite von Standard-WWER-1000 weitgehend eingehalten werden." Ich will damit Temelin keineswegs über den Klee loben, nur darauf hinweisen, dass der gern propagierte riesige Unterschied zu unseren Anlagen nicht da ist. In *einigen* Bereichen halte ich einen WWER 440/213 sogar unseren Anlagen überlegen. Natürlich führt in Osteuropa eine drängende Finanznot zu vielerlei Problemen; doch die trifft auch Deutschland. Schon heute wird ja versucht, Revionszeiten so kurz wie möglich zu halten.


- "Wenn wir hier alle Anlagen abreißen, kommt der Strom eben aus KKWs in Osteuropa"

Schon lange Alltag, das wird überhaupt nicht durch Ausstiegspolitk oder nicht beeinflußt. Harte Devisen zählen. Im übrigen bauen wir sie nicht ab. Es wurde ein von allen Seiten akzeptierter Konsens gefunden. Man kann und sollte die Laufzeit nicht über alle Maßen strecken.

- Und die Sauberkeit?

In Sachen Sauberkeit möchte ich an der Stelle mal auf das World Uranium Hearing verweisen, damit man wenigstens auch mal die andere Seite sieht. Zudem verweise ich auf den angedachten "Aufbereitungs-Deal" aus den 90er Jahren. Für Deutschland wäre der zwar sauber gewesen, hätte das Problem aber einfach nur verlagert, und das wider besseren Wissens (was der eigentliche Skandal an der Sache ist): Es wurde geplant, die Hanauer Aufbereitungsanlage -bevor sie nach China verkauft werden sollte- in Majak (Chelyabinsk Bezirk) aufzubauen. Ein Gebiet, was wohl zu den kontaminiertesten Gegenden der ganzen Welt gezählt werden kann. Hier fand in den 50ern ein Unglück statt, dass in der Freisetzungsmenge sogar über Tschernobyl lag (Kyshtym-Unfall); weiß heute fast niemand mehr. Unsägliches menschliches Leid ist in dieser Gegend bis heute gegeben. Die Anlage sollte dann Dreh- und Angelpunkt eines entsprechenden "Aufbereitungs-Deals" sein. Das Wort "Deal" paßt ganz gut. Atomminister Adamov hatte zu seiner Zeit hier die Weichen bereits gestellt. Harte Devisen werden immer gerne genommen. Insofern ist der Begriff der Sauberkeit immer -zumindestens etwas- mit Vorsicht zu genießen.

-"Warum dann der EPR in Finnland"
Ich sehe durch den Neubau keine Renaissance. Natürlich kann man, wenn man etwas durchdrücken möchte, es auch bekommen. Der EPR hat -auch in seiner jetzigen Form- einiges an Entwicklungskosten verursacht. Ich möchte das jetzt nicht mit dem Debakel um die verbrannten Brüter-Milliarden vergleichen, aber es wäre natürlich schon unangenehm, wenn noch nicht einmal ein KKW dabei herauskommen würde.
In örtlicher Nähe hat eigentlich nur Rußland ein ambitioniertes KKW Neubauprogramm vorgelegt (u.a. eine neue WWER und BN (!) Reihe, sowie Pläne für einen graphitmoderierten Typ als RBMK Nachfolger), was aber schon aus den genannten Gründen im Prinzip auf Eis liegt. Würde es zu einer -extrem unwahrscheinlichen- Renaissance kommen, die dann die jetzigen Anlagenzahlen überträfe, würde die Endlichkeit der Ressource Uran wieder zu einem drängenderem Problem. Eben aus diesem Druck hatte man ja die Hoffnungen seit den End 60ern auf die schnellen Brüter gesetzt; die aber dann gescheitert sind. Japan hat als letzter Verfechter, erst im Jahr 2000 die Segel gestrichen.

Gruß

Denis

*Die Nickelproblematik an den WWER Druckbehältern ordne ich in einer ähnlichen Größenordnung ein, wie das Problem um Siemens austenitische Stähle, die in unseren Anlagen verwendet werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit einem westlichen Reaktor hätte das nicht passieren können, da gleichzeitig mit dem Kühlmittel auch der Moderator geringer geworden währe und so die Reaktion zum Stillstand gekommen währe..
Bei Tschernobyl hat diese Kuppel komplett gefehlt! Da war nicht nur ein kleiner Mängel, sondern dieser Schutz war einfach nicht vorgesehen! Heute baut man sowas auf jedes AKW.
Teils, teils. bzw. klares Nein zum zweiten Quote. In Tschernobyl hätte aufgrund der enormen Wasserstoffbildung* auch kein Containment** geholfen. Es gab ja sogar einen partitiellen Sicherheitseinschluß und eine Kondensationsanlage, da Tschernobyl Block4 bereits zur zweiten Anlagengeneration gehörte. Genutzt hat es freilich nichts.
Den Unfallablauf hatte ich im groben hier schon einmal beschrieben, kürzer geht es leider nicht; da es "so einfach" nicht war:
http://www.planet3dnow.de/vbulletin/showthread.php?p=2378640#post2378640

Natürlich ist mir bewußt, dass zwischen einem Siedewasser-Druckröhrenreaktor, der u.U. einen positiven Reaktivitätskoeffizienten*** aufweist (entgegen der landläufigen Meinung auch vor den Nachrüstungen nach Tschernobyl nicht in jedem Betriebsregime), und einem herkömmlichen Druckwasserreaktor signifikante Unterschiede bestehen. Der Unfallablauf selbst wird in dieser Form natürlich nicht stattfinden können (wenngleich ich an dieser Stelle darauf hinweise, dass die RBMKs nach der Havarie in Tschernobyl soweit nachgerüstet wurden, dass der letzlich auslösende Scram-Effekt nicht mehr stattfinden kann -indem die Ausfahrposition der Steuerstäbe beschränkt wurde und so keine Wassersäule mehr entsteht- und der positive Void Effekt selbst in ungünstigen Situationen nicht mehr 5 Beta (!) betragen kann, wie kurz vor der Havarie in Tschernobyl), was aber eine Kernschmelze oder gar eine Hochdruckkernschmelze natürlich nicht ausschließt. In Tschernobyl kam es ja zu einer Leistungsexkursion, die -glaubt man den Angaben des Rechners SKALA****- oberen Drittel der aktiven Zone stattfand.
Harrisburg wird insbesondere vom Informationskreis Kernenergie immer als perfektes Beispiel der Beherrschung einer höchst kritischen Situation angeführt. Ein großer Irrtum, zeigt die Havarie des TMI Reaktors, dass vor allem zwei Phänomene immer wieder zu beobachten sind:

1. Menschliche Fehlleistungen, die nicht von einem Computersystem abgefangen werden können (Auslöser für die Havarie in Harrisburg war ein Zettel, der über der Kontrolleuchte für den Zustand der Sperrventile geklebt war) - in Tschernobyl war es ein Gemisch aus unscharfen Testbedingungen, der Reaktorauslegung, nicht weitergegebenen Informationen über frühere Reakivitätsstörfälle in Ignalina und St. Petersburg, und der absoluten "Macht" der Operatoren (denen ich aber keineswegs die Hauptschuld gebe; im Wesentlichen hielten sie sich an das Versuchsprogramm): Keine Warnung von Seiten des Kontrollsystems als die (ohnehin zu niedrig angesetzte) Reaktivitätsreserve unterschritten wurde; ich will diese Punkte nicht 1:1 auf heute übertragen, aber Schlamperei gibt es immer wieder, ob mutwillig oder nicht

2. Plötzlich auftretende Situationen, an die zum ersten Mal gedacht wird, wenn sie bereits geschehen. Die Wasserstoffproblematik war vor Harrisburg nie in Betracht gezogen worden, auch nicht bei der Konstruktion des Containments. In Tschernobyl war man dem verheißungsvollen Havarieschutzknopf aufgesessen, es kann doch so einfach sein. Knopf drücken...und alles wird gut, leider nicht.

Damals kam man mit einem blauen Auge davon, sah sich aber einer Situation gegenübergestellt, die man nie vorhergesehen hatte; das war wie gesagt die massive Bildung von Wasserstoff.
Bevor Rekombinationsgeräte installiert werden konnten (im Containment herrschten zu diesem Zeitpunkt absolut tödliche Bedingungen), explodierte die Blase. Das Containment war auf die doppelte Stärke ausgelegt, also kein Problem. Leider bildete sich danach noch eine wesentlich größere Blase, die dann allerdings von selbst verschwand. Ein zweites Problem ist wie gesagt die Abführung der Nachzerfallswärme, in Harrisburg wurde die Schmelztemperatur von Uran nur um 100 Grad verfehlt. Danach hilft dann übrigens auch kein Containment mehr, der Uranbrei frißt sich durch ("China Syndrom" - wie der gleichnamige Film, der übrigens kurz vor Harrisburg entstand).

Gruß

Denis

*
[...]in den letzten zwanzig Sekunden bis zur Explosion, [...], begannen in der aktiven Zone die chemische Reaktion zwischen dem Zirkonium und dem Dampf sowie andere exothermische chemische Reaktionen, wobei sich Wasserstoff und Sauerstoff, also Knallgas, bildete. [...] Zur gleichen Zeit wurden durch den riesigen Druck die unteren Wasserkommunikationen und oberen Wasser-Dampf-Kommunikationen abgerissen. Der Reaktor hatte jetzt nach oben eine freie Verbindung zum Zentralsaal und nach unten in einen Druckraum. [...] Wesentlich ist, daß der Reaktor und das Gebäude des vierten Blocks durch eine Serie gewaltiger Knallgasexplosionen zerstört wurden.


**
[...]Western specialists claimed after the Chernobyl accident that the catastrophic consequences of this accident were caused because an absence of the containment of the Chernobyl reactor. However, it is clear that there is no such containment in the world hat can sustain to such explosion. [...] [The Chernobyl Reactor: Design Features and Reasons for Accident - Mikhail V. MALKO]

***
Hier muß ich insbesondere den Darstellungen u.a. auf Wikipedia widersprechen. Schon vor der Havarie war der Void-Effekt nicht immer postiv. Ein Erstbeladungskern mit festen Absorbern hatte einen negativen Void-Effekt, der erst mit weiterem Abbrand und dem Entfernen der festen Absorber dann positiv wurde. Bei den noch laufenden RBMKs wurden nach der Havarie diverse Nachrüstungen vorgenommen. Ein RBMK bleibt natürlich schon aufgrund des Graphithaufens ein großes Risiko, aber in normalen Betriebsregimes ist der Void-Effekt heute nicht mehr das Problem; siehe auch den Link zum Unfallablauf

****
"[...] Um 1.22.30 wurde durch den Rechner Skala die Leistungsdichteverteilung und die Lage der Absorberstäbe ausgedruckt. Hier ist anzumerken, dass der Rechner etwa 7-10 Minuten rechnet, also den Zustand der Anlage ungefähr 10 Minuten vor der Explosion ausgab. Über den Querschnitt der aktiven Zone war das Neutronenfeld ausgebeult, über die Höhe hatte es im mittleren zwei Maxima, wobei die Leistungsdichte im oberen Teil höher lag [...] so hatte sich im oberen Teil der aktiven Zone ein Gebiet gebildet, das die Form einer abgeplatteten Kugel mit einem Durchmesser von etwa 7 Metern und einer Höhe von etwa 3 Metern hatte. In diesem Teil der aktiven Zone (der etwa 50 Tonnen wiegt) entstand auch vor allem die prompte Kritikalität und die darauf folgende Leistungsexkursion. Hier kam es zuerst zur Krise des Wärmeaustausches, hier wurden die Brennstäbe zerstört, zerschmolzen und verdampft. Eben dieser Teil der aktiven Zone wurde durch die Knallgasverpuffung in hohe Schichten der Atmosphäre geschleudert..."
 
Zuletzt bearbeitet:
Wiederaufbereitung ist auch eine tolle Sache, wenn man bedenkt, das Brennstäbe nur etwa 4% ihres Brennmaterials verbrauchen und dann ausgetauscht werden. Man könnte das zur Pflich erklären, das nur im gleichen maß Brennstäbe zugekauft werden dürfen, wie Uran vrbraucht wurde. Leider ist der Uranpreis im vergleich zur Wiederaufbereitung so niedrig, das es sich kaum lohnt.
Das hatte ich in einem anderen Thread gelesen; die Wiederaufbereitung* ist im Prinzip mit dem Scheitern der Brütertechnik ebenfalls zu Grabe getragen worden. Nicht umsonst wurde die Pflicht zur Wiederaufbereitung mit der Novellierung des Atomgesetzes (nach dem Ende der WAA Wacksersdorf) ausgehebelt. Leider waren bis dahin schon langandauerende Verträge mit Sellafield und La Hague geschlossen, die jetzt allerdings auslaufen. Man sollte bedenken, dass den MOX-Brennelementen das separierte Plutonium nur in sehr geringen Mengen beigemischt werden kann. Es wird wesentlich mehr Separiert, als genutzt werden kann. Eine unnötige Hypothek, die man sich da auflädt.

Gruß

Denis

*
Die Wiederaufarbeitung verschärfe das Abfallproblem qualitativ wie quantitativ, es müsse kontinuierlich „zusätzlich Frisch-Uran zugeführt“ werden, die Effektivität der Rohstoffnutzung sinke „rapide mit steigender Zyklenzahl“, es entstünden schließlich Spaltprodukte und Aktinide, und auch weitere Plutonium-Isotope. „Diese komplexen Zusammenhänge erhöhen die Menge und erschweren den Umgang auch beim Transport“, sowie bei der Endlagerung, durch ihre höhere Aktivität. „Aus diesen Betrachtungen folgt der Schluß, daß die Anwendung von MOX-Brennelementen letztlich keine Lösung ist. Im Endeffekt stellt sie eine Hypothek für die langfristige Entsorgung dar [SRU-2000]"

und:
"It is concluded that higher burn-up of fuel and the use of MOX fuel is problematic for a variety of reasons; thorium fuel schemes have some clear safety advantages but are currently not attractive enough, and other advanced fuel schemes are currently not realistic." (Schaper, Schmidt et. al. 2000, 6)"
 
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