EU-Verfassung: Entmachtet sich am Donnerstag der Bundestag?

algeron

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Entmachtet sich am Donnerstag der Bundestag?

Von Dietmar Hipp, Karlsruhe

Am Donnerstag soll der Bundestag der Europäischen Verfassung sein Ja-Wort geben. Renommierte Verfassungsrechtler warnen vor den Risiken und Nebenwirkungen einer unbedachten Entscheidung des Parlaments - und empfehlen, Bedenken konstruktiv Rechnung zu tragen.

Karlsruhe - Glaubt man den Pessimisten unter den Abgeordneten, droht mit der Zustimmung zur EU-Verfassung am Donnerstag die Selbstentmachtung des Parlaments. "Wenn wir nicht aufpassen, sind wir bald nur noch Vollzugsorgan", warnt der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, und der CSU-Abgeordnete Gerd Müller sieht den Bundestag gar auf Dauer zum "Papierkorb" der Brüsseler Rechtsetzungsmaschinerie degradiert.

[...]
Quelle Spiegel-Online

Nun soll ja am Donnerstag über die EU-Verfassung im Bundestag abgestimmt werden und ehrlich gesagt sehe ich dem ganzen mit einem mulmigen Gefühl entgegen.
Es ist doch erschreckend, dass das Grundgesetz mit einem schlichten Mehrheitsbeschluss quasi außer Kraft gesetzt werden kann :-X .
Das wäre ja nicht so schlimm, wenn auf europäischer Ebene ein "gleich-effektiver" Grundrechtsschutz gewährleistet wäre, doch das ist ja nicht der Fall, wie man z.B. an den Überlegungen zur Vorratsdatenspeicherung und der kompletten Übergabe der Flugpassagierdaten an die USA erkennen kann, die so mit Sicherheit nicht in Deutschland in Kraft getreten wären bzw. in Kraft treten würden.
Es ist doch "krank", wenn die Bundesregierung sich ihrer Verfassungsbindung entledigt und versucht ganz offensichtlich gegen das Grundgesetz verstoßende Gesetze über das Europarecht durchzusetzen (so nach dem Motto "Dann könne die uns ja nichts mehr in Karlsruhe").

Ich war immer, und bin es auch noch, ein "Fan" der europäischen Idee, doch die momentane Situation bzw. das System der EU an sich widert mich nur noch an :[ .
Deshalb hoffe ich, dass die Franzosen ein Zeichen setzen und diese Verfassung ablehnen werden, denn mit einer die Verfassung ablehnenden Mehrheit des Bundestages braucht wohl niemand zu rechnen :] . Vielleicht wird das Bundesverfassungsgericht ja noch nach der Ratifizierung aktiv und greift korrigierend ein.

Was denkt ihr so darüber?
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Franzosen? Ich denke, da kannst Du Dich auf die Briten verlassen. *buck*

Generell sehe ich das Ganze eher positiv, wenngleich die EU einen
massiven Abbau von Bürokratie bräuchte.

Vielleicht können wir ja irgendwann unsere ganzen Einzelparlamente
loswerden bzw. radikal verkleinern/verringern.

Ach was sag' ich: Wir brauchen einen König von Europa!
 
Luanne schrieb:
Ach was sag' ich: Wir brauchen einen König von Europa!
Einen König von Mallorca haben wir ja schon! ;D

Aber zum Thema: Ich glaube nicht, dass die zentralen Rechte des Grundgesetzes durch die EU-Verfassung angetastet werden. Im Gegenteil, gerade so die wichtigen Artikel 1-20 (Menschen- und Bürgerrechte) werden vom Inhalt her damit auf die gesamte EU übertragen. Und so leicht wird man den Bundestag und somit das Volk nicht entmündigen können. Wir haben schließlich auch feste, unabänderbare Verfassungskerne, die keine Verfassung der Welt aushebeln könnte.

Kritik an dem Artikel bzw. Kritikern der EU-Verfassung: Es wird nicht ein Beispiel genannt, wo sich die Kompetenzen tatsächlich überschneiden würden bzw. es wird auch kein Beispiel gebracht, wo durch einen Artikel des EU-Verfassung ein Artikel unserer Verfassung angetastet wird!
 
Es braucht gar nicht erst die EU-Verfassung, um europäisches Recht mit dem deutschen Grundgesetz in Konflikt zu bringen.
Z.B. verträgt sich der EU-Haftbefehl nicht besonders gut mit dem Grundgesetz.

Ich stehe dem ganzen auch kritisch gegenüber. Ich halte das Grundgesetz für eines der wichtigsten Erungenschaften, die unbedingt geschützt werden müssen. Und da in der letzten Zeit die EU nicht besonders demokratisch gehandelt hat und die EU-Verfassung nicht gerade grundgesetzkonform sein soll, steigt nicht übermäßig mein Vertrauen darin.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke schon, dass die EU Verfassung sehr viele sinnvolle Punkte beinhaltet, die uns auch keineswegs entmachten werden, bloß die EU an sich flexibilisieren und den neuen Gegenbenheiten anpassen :).

Die Tagesschau hat die Kernaussagen aufgelistet:
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID3374722,00.html

BTW
Wichtiger wäre es wohl zu verhindern, dass Länder wie Bulgarien, Rumänien und Kroatien der EU beitreten :] !
 
Campari schrieb:
BTW
Wichtiger wäre es wohl zu verhindern, dass Länder wie Bulgarien, Rumänien und Kroatien die EU fern bleiben!
meinst du das so, oder genau das gegenteil?
 
Pilli schrieb:
meinst du das so, oder genau das gegenteil?

oha, habe gar nicht gesehen, welchen Buchstabensalat ich hier hinterließ.

Ja, weil die jetzigen zehn Neuen erst komplett integriert werden sollten. Obendrein halte ich das genannte Trio für viel zu rückständig, um in die EU zu gelangen. Die werden NIE irgendetwas einzahlen, werden immer Empfänger bleiben, wir dürften als trotz unserer Haushaltlöcher deren Aufschwung finanzieren, so sich dort überhaupt so etwas einstellen sollte, vor allem wenn ich an die dortige Korruptionsalltäglichkeit denke.

Definitiv würde sich die EU an weiteren Ländern, die noch immense Defizite sowohl in wirtschaftlicher, als auch politischer Hinsicht haben. Zudem würden diese Länder mit ihren Außengrenzen auch das Schengener Abkommen durchsetzen müssen, was ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann.
 
Also meinst Du doch das Gegenteil (doppelte Verneinung;)).

Eine EU-Verfassung halte ich prinzipiell für gut, allerdings sollte man vorher solche Probleme wie mit dem EU-Haftbefehl und dem deutschen GG lösen.
 
Campari schrieb:
oha, habe gar nicht gesehen, welchen Buchstabensalat ich hier hinterließ.

Ja, weil die jetzigen zehn Neuen erst komplett integriert werden sollten. Obendrein halte ich das genannte Trio für viel zu rückständig, um in die EU zu gelangen. Die werden NIE irgendetwas einzahlen, werden immer Empfänger bleiben, wir dürften als trotz unserer Haushaltlöcher deren Aufschwung finanzieren, so sich dort überhaupt so etwas einstellen sollte, vor allem wenn ich an die dortige Korruptionsalltäglichkeit denke.

Definitiv würde sich die EU an weiteren Ländern, die noch immense Defizite sowohl in wirtschaftlicher, als auch politischer Hinsicht haben. Zudem würden diese Länder mit ihren Außengrenzen auch das Schengener Abkommen durchsetzen müssen, was ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann.
+++ Vollste Unterstützung: Die EU ist irgendwann nichts mehr "wert", weil wir einfach überlastet(sind wir jetzt schon) ist, und die Reformen in vielen Ländern nicht vorankommen, immer mehr Bürokratie aufgebaut wird, und man die Beitritte von Bulgarien, Rumänien und der Türkei wohl nicht mehr abwenden kann. Das ist ein selbstzerstörerrischer Wahn, den man überhaupt nicht begründen kann, weil die Türkei und Rumänien keineswegs die EU-Kritierien Ansatzweise erfüllen. Wir haben keine Klare Linie in vielen solcher Beispiele auf EU-Ebene, deshalb seh ich die Verfassung doch positiv. In dieser Hinsicht bringt die EU-Verfassung auch keine Nachteile, nur leider auch oft keine Vorteile - Schade, so gewinnt man kein Vertrauen bei Bürgern. Europa entwickelt sich langsam, aber stetig zu einem zähen Kaugummi, der aber durch die EU-Verfassung meiner Ansicht nach nur minimal verlangsamt wurde. -Meine Meinung.
 
Ich seh mich zwar als absolut pro Europa, aber dieser "Verfassung" steh ich doch ziemlich skeptisch gegenüber:
Wenn nationale Kompetenzen in dieser Größenordnung auf Europa übertragen werden, sollte das ganze auch auf ein entsprechend solides (und demokratisches) Fundament gestellt werden. Das Europäische Parlament soll zwar laut Verfassung mehr Einfluss bekommen, aber so wie ich das sehe, gewinnt der Ministerrat noch stärker an Einfluss (z.B. indem er leichter Entscheidungen treffen kann) - und der Ministerrat hat mich in der Vergangenheit nicht so wirklich überzeugt (vor allem, wenn sich der entsprechende deutsche Minister nicht an Entschlüsse des Bundestags gebunden fühlt*motz*).

Momentan ist das nix halbes und nix ganzes. Meiner Meinung nach sollte sich Europa erstmal einig werden, ob es eher Richtung Bundesstaat gehen will oder doch lieber ein aufgemotzter Staatenbund bleiben will. Ich wär dafür, Richtung Bundesstaat zu gehen, allerdings dann auch mit entsprechend solidem Fundament:
  • klar geregelte Kompetenzaufteilung zwischen Europa und den Mitgliedsstaaten
  • Finanzierung über europäische Steuern statt durch Mitgliedsbeiträge. (Nur: welche Steuer würde sich anbieten, an Europa abgegeben zu werden?)
  • klare demokratische Legitimation: zentralere Rolle für's Europäische Parlament.
So könnte man als Bürger auch wieder leichter erkennen, wer für welche Entscheidungen zuständig (=verantwortlich!) ist.

Edit: So weit ist es schon gekommen, dass ich "meinem" Wahlkreisabgeordneten Gauweiler, dem [zensiert], fast schon Respekt zollen muss :-/. Wir brauchen definitiv mehr "Störenfriede" im Parlament (Ströbele und Cohn-Bendit (Europa-Parlament) sind auch nicht schlecht ;))
 
Zuletzt bearbeitet:
StrgAltEntf schrieb:
  • klar geregelte Kompetenzaufteilung zwischen Europa und den Mitgliedsstaaten
  • Finanzierung über europäische Steuern statt durch Mitgliedsbeiträge. (Nur: welche Steuer würde sich anbieten, an Europa abgegeben zu werden?)
  • klare demokratische Legitimation: zentralere Rolle für's Europäische Parlament.
Nicht zu vergessen einen, im Vergleich zum deutschen Recht, gleich starken Grundrechtsschutz.
 
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