Schachpartie mit Dr. Evil - die USA rüsten zum Krieg

Patmaniac

Grand Admiral Special
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Der Zusatz "die USA rüsten zum Krieg" beschert diesen Thread doch bestimmt einige Hits mehr. ;D Aber zum Thema:

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,381145,00.html

THRILLER

Schachpartie mit Dr. Evil

In Saudi-Arabien putschen sich Fundamentalisten an die Macht, die USA rüsten zum Krieg - der ehemalige US-Präsidentenberater Richard A. Clarke veröffentlicht einen glaubhaften Polit-Thriller.


Nur ein paar Jahre noch, dann sind die USA im Irak geschlagen, gedemütigt haben sie sich zurückgezogen. Die Schiiten des Landes sind mit den Mullahs in Teheran in einer mächtigen Allianz vereint, einer religiösen Entente Cordiale, natürlich mit Atomwaffen. Die saudischen Prinzen verjubeln die Ölmilliarden in den Nobelvierteln von Houston und Los Angeles, weil sich zu Hause religiöse Fanatiker, die al-Qaida nahe stehen, an die Macht geputscht haben. Und mitten in diesem Gemenge versucht ein korrupter amerikanischer Verteidigungsminister, den nächsten Krieg in Nahost loszubrechen.

Es sind schon ziemlich düstere Aussichten, die Richard Clarkes ersten Roman "The Scorpion's Gate", der jetzt weltweit gleichzeitig erscheint, dominieren. Fiktion natürlich, die man als mittelmäßigen Tom-Clancy-Verschnitt betrachten könnte, aber die Vita des Autors verleiht dem Ganzen den besonderen Thrill der Authentizität: Clarke ist als ehemaliger Terrorismusberater des Weißen Hauses einer der führenden Experten der Zunft - drei Präsidenten diente er als Cheforganisator der Anti-Terror-Politik, in der Regierung Bill Clintons gar mit Kabinettsrang. Und er beharrt darauf, dass die von ihm geschilderten Szenarien eben nicht pure Phantasie seien: "Es gibt eine große Wahrscheinlichkeit, dass es so kommen könnte."

Furore hat Clarke bisher schon als Sachbuchautor gemacht, seine vergangenes Jahr erschienene Abrechnung mit der Bush-Regierung und dem Irak-Krieg ("Against All Enemies") wurde ein Bestseller. Im Weißen Haus ist er, seit er aus Protest gegen das Bagdad-Abenteuer zurücktrat, Persona non grata.

Der lästige Insider ist einfach nicht ruhig zu stellen. Clarke kritisiert auf allen Kanälen, als Experte in den abendlichen Nachrichtensendungen, als Vortragender in Harvard, als Autor der Kolumne "Der Sicherheitsberater" im "New York Times Magazine". Bushs Politik mache die Welt nur gefährlicher, behauptet Clarke. Als ewigen Querulanten schmähen ihn die Republikaner, als eine Art Kapitän Ahab, für den der Präsident der weiße Wal ist.

Warum also jetzt auch noch ein Roman, mit viel Getöse angepriesen als der Polit-Thriller des Herbstes? Clarke lächelt und greift sich eine Flasche "Starbucks"-Cappuccino aus dem Kühlschrank. "Als ich in der Regierung war, habe ich mit allen möglichen Papieren versucht, auf Gefahren aufmerksam zu machen. Aber irgendwann bekommen sie alle diesen glasigen Blick und gewöhnen sich daran. Sie müssen die Regierenden zwingen, sich die Zukunft bildlich vorzustellen und über ihre Rolle darin nachzudenken."

Im Grunde sei Bill Clinton schuld, sagt Clarke, der habe ihn auf die Idee gebracht. Denn Clinton, sein Chef, war ein schlafloser Präsident, der Thriller liebte und nach einer Nacht mit Clancy, Preston oder Forsythe seinen Berater mit Fragen bombardierte: Ist ein solcher Plot vorstellbar, wahrscheinlich, was können wir tun? Als Clinton einen Schwung Weltuntergangsdramen gelesen hatte, befahl er ein Abwehrsystem gegen biologische und chemische Waffen. "Unter Clinton hat dieses Land begonnen, sich auf den Heimatschutz vorzubereiten. Wer solche Bücher liest, versteht die Probleme, vor denen wir stehen, besser", behauptet Clarke.

Der Thrillerautor hat also bisweilen echte politische Macht, jene Kraft zur Veränderung, die sich auch Clarke nun wünscht. Im Weißen Haus verglich er seine Bemühungen vor dem 11. September, für den Kampf gegen al-Qaida zu werben, mit Churchills Warnungen vor dem Aufstieg der Nazis. Bush habe nicht zugehört, sagt Clarke.

Auch nach seinem Abschied aus dem Weißen Haus sorgt er sich noch immer um die Welt, er will, dass man ihm zuhört: "Mein Buch ist ein Weckruf, die Kongress-Mitglieder sollten es lesen." Zum Schreiben nahm er sich in seiner Consulting-Firma für Sicherheitsfragen frei, im Wochenendhaus in den Shenandoah-Bergen zog er den Telefonstecker heraus - und ließ seinen finsteren Visionen freien Lauf.

Natürlich hatte die CIA vom kommenden Putsch in Saudi-Arabien, das sich fortan "Islamijah" nennt, nichts mitbekommen. Wie eine "Wurstscheibe, die zwischen zwei dicke feindliche Stücke Brot eingeklemmt ist", bleiben Amerika am Golf nur die Emirate als Basis.

Das ölhungrige China pirscht sich heran und bietet im Tausch gegen Treibstoff für seine ungeheuer machtvolle Wirtschaft Schutz gegen die USA. Eine Krise jagt die andere: In Pakistan regiert eine Koalition aus Geistlichen und Militärs, die Jagd auf al-Qaida ist eingestellt, Afghanistan wieder zur Marionette des großen Nachbarn degradiert.

Henry Conrad heißt der finstere US-Verteidigungsminister, der, geschmiert von den gestürzten Saudi-Prinzen, einen Militärschlag gegen "Islamijah" plant. Dafür schreckt er nicht einmal vor einem Zweckbündnis mit den finsteren schiitischen Mullahs in Iran zurück. Die Bedrohung der freien Welt wird, das klingt vertraut, ordentlich aufgebauscht: "Wir verbreiten einfach die große Lüge, das hat früher doch auch geklappt", lässt Clarke den sinistren Pentagon-Vize Ronald Kashigian, Spitzname "Dr. Evil", sagen.

Die Rettung kommt in Form der "Intellokraten" (der Begriff stammt ursprünglich von John le Carré), einer Hand voll Geheimdienstler in der amerikanischen und britischen Regierung, die gegen den Kriegsplan opponieren. Zu ihnen gehören Brian Douglas und Russell MacIntyre, aufrechte Burschen, bei denen man den Eindruck nicht los wird, dass Clarke sich selbst meinen könnte. "Ich habe einen Eid geschworen, mein Land vor Schaden zu bewahren - und nicht eine Bande von Lügnern zu schützen, nur weil sie zufällig an der Macht sind", rechtfertigt Douglas den Ungehorsam.

Empörte Ausbrüche dieser Art finden sich noch viele. Sagt ein empörter Admiral: "Dr. Evil und seine Freunde aus den Think-Tanks halten das amerikanische Militär für eine Ansammlung von Schachfiguren, die man nach Belieben hin und her schieben kann, um ihre dämlichen globalen Theorien umzusetzen. Es will ihnen einfach nicht in den Schädel, dass diese Schachfiguren tatsächlich bluten, während sie in irgendeiner idiotischen Talkshow rumsitzen und dummes Zeug labern."

Auf verschlungenen Wegen finden die Geheimdienstler Kontakt zu einer Fraktion Gemäßigter in "Islamijah", die von einem modernen Arabien, von blühender Wissenschaft, Kultur und Fortschritt träumen. Gemeinsam vereiteln sie den Plan des Verteidigungsministers, der Presse spielen sie Beweise zu, dass die alte saudische Garde ihn bestochen hat. Als die Menschen von "Islamijah" händchenhaltend an den Stränden stehen, an denen die GIs landen sollten, ist der Coup gescheitert. Im geopolitischen Happy End ringen dann die Friedfertigen in "Islamijah" auch noch die Radikalen nieder, sorgen für eine gerechte Verteilung des Öls und investieren mit der Leidenschaft eines Jürgen Trittin in erneuerbare Energien. Sony Pictures verhandelt bereits über die Filmrechte.

Eine neue und doch wieder ziemlich bittere Abrechnung mit der US-Politik? Nein, sagt der Autor, eigentlich nicht, von Nestbeschmutzung will er nichts wissen. Wo einer der Charaktere Abfälliges sage, widerspreche doch ein anderer. Aber die Frage, wie sich Berufsmilitärs und Geheimagenten verhalten sollen, wenn sie es mit irrenden oder gar bestechlichen Politikern zu tun haben, müsse einfach gestellt werden.

>Dann also die Betrachtungen eines gründlich desillusionierten Staatsdieners? Schon eher. Die gefährliche Welt ist bereits real, aber an heldenhaften Rittern in den Geheimdiensten herrscht Mangel.

Dass es in der öden Regierungswirklichkeit nicht nur keine "Intellokraten", sondern leider allzu oft nur stümperhafte Geheimdienste ("meistens glücklos, oft inkompetent") gibt, treibt Clarke schwer um. "Da arbeiten brillante Leute, aber wenn man sie in einer Organisation zusammensteckt, ist die am Ende weniger intelligent als jeder Einzelne von ihnen. Ich würde die Besten herausnehmen, das sind Leute, die vielleicht ein paar Regeln gebrochen haben, aber unter den richtigen Bedingungen können sie großartige Arbeit leisten. In einer normalen Bürokratie werden sie irre."

Aber was hilft das schon bei solchen Verteidigungs-, oder richtiger, Kriegsministern wie seinem Henry Conrad? Und meint er nicht seinen alten Gegenspieler Donald Rumsfeld, auch wenn er in der Danksagung treuherzig behauptet, alle Figuren seien frei erfunden? Clarke lächelt verschmitzt: "Vielleicht haben die beiden nur einige Gemeinsamkeiten."
Ein ziemlich krasses Szenario wäre das! :-X Und bei der momentanen weltpolitischen Lage wohl wirklich nicht so weit weg, wie ein Roman von Stephan King.
 
jedenfalls hat clinton ein "was wäre wenn" szenario hinterfragt.
 
Da aber das letzte Buch, was George W. in den Händen hielt, wohl ein Buch über Blümchen und Bienchen war, können wir dies bei ihm wohl eher net erwartet wie bei Clinton! ;D :P
 
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