Taxi in den Tod

Patmaniac

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Neben diesem Film scheint es ein zweites Must See dieses Jahr zu geben. Wobei sich vermutlich auch hier die Frage stellt, wie man den Film hier wohl zu Gesicht bekommen kriegt.

http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,480502,00.html

DOKUMENTATION ÜBER US-FOLTER

Taxi in den Tod


Im Sommer 2002 kam ein afghanischer Taxifahrer von einer Tour nicht mehr nach Hause. Er wurde verhaftet - und später in einer Zelle in Guantanamo totgeschlagen. Der Film "Taxi to the Dark Side" erzählt seine Geschichte - und könnte die amerikanische Debatte um Menschenrechte im Krieg grundlegend verändern.


[...]

Was er in seinem Film en Detail vorführt, ist entsetzlich: Es sind US-Verhörer zu sehen, deren Grundausbildung offenbar nur im Betrachten der Fernsehserie "24" bestanden hat und deren einzige Ansage von oben lautet: "Soldiers are dying. Get Intelligence".

Die vermeintlichen Terroristen werden ihnen überlassen wie Sünder der Spanischen Inquisition. Im fundamentalen Katholizismus des 18. Jahrhundert galt: Den Unschuldigen hilft der liebe Gott. Wer aber in Guantanamo nicht wusste, in welcher Höhle Osama bin Laden steckt, dem half niemand mehr. Und die jungen Amerikaner können nur eines herausprügeln aus ihren Delinquenten: dass sie nichts wissen und hier nichts verloren haben. Die Ahnungslosigkeit rettet die Gefangenen freilich nicht. Es macht sie nur noch verwundbarer. Dutzende Häftlinge, so Gibney, wurden offenbar alleine in Guantanamo totgeschlagen.

[...]

Bevor aber das alte Europa angesichts solcher Bilder wieder in antiamerikanischen Jubel ausbricht, muss man den Unterschied zwischen europäischer Denunziation und amerikanischer Aufklärung betonen. Diese schwere filmische Attacke auf die US-Administration geht von Amerikanern aus, die sich um ihr Land Sorgen machen. Ihnen droht keineswegs das Schicksal einer Anna Politkowskaja, auch nicht das eines Dietrich Bonhoeffer.

Die Nörgler in Europa, die seit Jahren das dumme Lied vom amerikanischen Faschismus singen, sollten sich deshalb nicht zu früh auf Gibneys Film freuen. Sie haben zur Aufklärung der amerikanischen Verfehlungen in Afghanistan und im Irak so gut wie nichts beigetragen. Die Enthüllungen fanden vor allem in den liberalen Medien der Ostküste statt, im "New Yorker", in der "New York Times", in der "Washington Post", "Atlantic Monthly" oder "Vanity Fair". Gibneys Film liegt auf dieser Linie amerikanischer Selbstkritik der vergangenen Jahre. Noch ist offen, ob "Taxi to the Dark Side" in den USA schnell ein TV-Network finden wird. Auf Dauer werden die TV-Imperien aber nicht an ihm vorbeikommen.

Denn anders als in den polemischen Kino-Attacken Michael Moores, der für eine gute Pointe noch jede Verschwörungstheorie auf die Leinwand bringen würde, wird bei "Taxi to the Dark Side" nicht drauflos denunziert. Der Film berichtet, argumentiert, klagt an - und ist aufgebaut wie das flammende Plädoyer eines zornigen Staatsanwalts - wie man ihn nur in den USA finden kann.
 
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