kleiner Bericht: eine nicht alltägliche Mainboard-Reparatur

Reina

Commodore Special
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Hi,

vor ein paar Tagen hatte ich abends wie üblich ein Video-encoding Rechenjob auf meinem System gestartet und bin schlafen gegangen. Am nächsten Morgen lief der PC nicht mehr aber die Power LED glimmte noch. Das Netzteil (neues Enermax Pro82+ 385W) schaltete sich nach dem Anschalten sofort wieder ab, aus dem PC entfernt und ohne Last lief es aber wieder. Ein Tausch des Netzteils half auch nicht weiter. Ich baute das Mainboard (nForce2: Abit NF7-S) aus und hatte es durchgemessen. Dabei stellte ich fest, dass ein FET (Schalttransistor) des CPU-Spannungsreglers einen Kurzschluss hatte und die CPU somit direkt an der 12V Schiene hing!
(Die FETs waren mit RAM Kühlern gekühlt und durch mein XP-M mit 2170MHz bei 1.525V auch nicht übermässig belastet. Ausgangsseitig werkelten ein Jahr junge Rubycon MCZ Elkos.)

Darauf bin ich erstmal frustriert ins Büro gefahren und habe dort bezüglich neuer PC-Komponenten recherchiert, welche ich mir momenten eigentlich gar nicht leisten kann. Ein neues Mainboard würde ein komplett neues System erfordern, einschliesslich Gängel-Betriebssystem statt W2K. Doch "aktuelle" (AMD-) Hardware (und Windoof Systeme) haben irgendwie entweder Unzulänglichkeiten, wirken unausgereift oder begeistern mich nicht derart, so viel Geld dafür auszugeben. Die Ebay-Preise der Sockel-A Systeme sind immer noch überraschend hoch und ich brauchte schnellstmöglich Ersatz.

Also habe ich am nächsten Tag weiter am Mainboard gebastelt. Bei dem FET handelt es sich um einen PHB55N03 (11mOhm, 25V, 55A, 85W, max. 175Grad, Philips). Den Lötkolben auf 450 Grad voll aufgedreht lötete ich von einem anderen NF7-S mit defektem Chipsatz einen FET aus (Beinchen ablöten, anschliessend die Metallfahne verzinnen und erhitzen, bis sich der FET wegschieben lässt) und in mein Board wieder ein (obere Lötfläche etwas nachzinnen, FET etwas tiefer darunter auflegen, die Metallfahne gleichzeitig mit der Lötfläche erhitzen bis sich der FET unter Druck an seine richtige Position hochschieben lässt, Anschlussbeine anlöten).

Das ging leichter als gedacht. Der FET wurde zwar sehr heiss dabei, überlebte die Prozedur aber. Ausgelötete (N-Kanal) FETs lassen sich sehr einfach durchmessen: auf eine isolierende Unterlage gelegt, leitet der Kanal zw. Drain und Source zunächst nicht. Nimmt man die positive Meßspitze vom Drain Anschluss und tippt kurz auf Gate, ist und bleibt der Kanal nun leitend (0.0 Ohm), bis das Gate durch einen Kurzschluss mit Source wieder entladen wird.

Dann habe ich das Mainboard wieder in Betrieb genommen. Die Lüfter liefen nach den Einschalten kurz an, dann schaltete das Netzteil wieder ab. Der neu eingelötete FET hatte nun ebenfalls einen Kurzschluss und auch der andere "Gegenpart"-FET bildete nun einen Kurzschluss nach Masse. Ich hatte den ausgelöteten, alten FET noch einmal durchgemessen: er hatte auch am Gate einen Kurzschluss zum Kanal! Dadurch hatte es auch den vorgeschalteten FET Treiber IC zerschossen (oder der Treiber-IC stellte den ursprünglichen Defekt dar). Also habe ich auch den Treiber IC mit Entlötlitze und feinem Schraubendreher abgelötet und ausgetauscht. Ebenso jetzt beide FETs der 3. Phase des Spannungsreglers. Das Mainboard noch einmal durchgemessen und... es lief wieder!

Der PC hat gerade einen Belastungstest erfolgreich bestanden. Alle Spannungsregler FETs sind dabei gleichmässig warm geworden. Ich kann nur hoffen, dass dieser Fehler nicht durch eine Spannungsspitze des neuen Enermax Netzteils entstanden ist. Vielleicht ermutigt der Bericht den einen oder anderen zu ähnlichen Reparaturarbeiten...

mfg, Reina.

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Das angehängte Foto zeigt das reparierte Mainboard. Im oberen Bereich zwischen den beiden Elkos der ausgetauschte "12V" FET, rechts darunter der ausgetauschte "Masse-Gegenpart" FET. In der Bildmitte über den beiden Drosseln der FET-Treiber IC.
 
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Nett, aber zur Info wäre es schön wenn du mal sagst ob du irgendwas in dieser Richtung gelernt hast. Ich kenn mich zwar mit IT aus, aber am Mainboard rumlöten ist trotz Diplom nicht wirklich drin.

Drücke die Daumen das es hält!
 
Wow, ich bin begeistert.
Vielleicht hat es ja doch `was gutes, das A8N-SLI, dass mir offensichtlich mit Defekt, aus der Bucht, verkauft wurde 8-(, nicht weggeworfen zu haben?
Wie messe ich das Mobo denn durch?
Es laufen nur die Lüfter, das Bild bleibt schwarz.
 
Sehr schön!

Ich habe zwar auch schon ein paar Mal an Boards gelötet, kaputte sachen wieder hingebaut usw aber bei solchen sachen fehlt mir einfach die Sicherheit zu wissen, was welche Bezeichnungen bedeuten und mit was ich austauschen kann.

Das ich keinen passenden Lötkolben mein eigen nenne, ist da ja schon eher nebensächlich. ;)
 
Hi,

@[³dgamer]:
du glaubst doch nicht im Ernst, dass man das Rumlöten auf Mainboards irgendwo studieren kann - ist ja schon schwierig, überhaupt ein Studium zu finden, in dem man etwas praktisch verwertbares lernt.. :-)

@beachtlich:

Durchmessen von Mainboards
Mit einfachen Mitteln wie Multimeter und Lötkolben kann man natürlich auch nur einfache Fehler finden und beheben. Die sind aber gar nicht so selten, denn häufig sind Leistungsbauelemente, die viel Hitze entwickeln, von Defekten betroffen.
In Deinem Fall heisst das: installiere nur die nötigsten Komponenten (CPU + Kühler + Speaker, später RAM und Grafik) und prüfe, ob die Ausgangsspannung aller Onboard-Spannungsregler im Rahmen liegt (CPU Vcore, Chipsatz..).
Aussichtsreicher sind jedoch Fälle wie meiner oben. Wenn das Netzteil nach dem Einschalten wieder abschaltet, sprach offenbar die Überlastschutzschaltung an. Da das Mainboard nicht in Schall und Rauch aufging und an keiner Spannungslinie einen Kurzschluss nach Masse zu messen war, kam auch nur Defekt an einem oder hinter einem kräftigen Spannungsregler als Fehlerursache in Frage. Mein Verdacht fiel natürlich sofort auf den der CPU. Hinter dem Spannungsregler konnte ich über die CPU aber auch keinen Kurzschluss messen, stellte dann aber einen an einem FET fest, welcher +12V (Impulse) über eine Drossel auf die CPU Spannungsschiene schaltet.
Das eigentliche Problem hier lag im Auslöten dieser grossen FETs ohne sie zu zerstören. Das erfordert einen kräftigeren Lötkolben. Ich hatte einen temperaturgeregelten 50W Lötkolben auf vollen 450Grad verwendet.

@Ole:
auf den Mainboards sind ja S(ource), G(ate) und D(rain) Pins der FETs üblicherweise sogar beschriftet. Ansonsten hilft http://www.datasheetcatalog.com

mfg, Reina.
 
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@Reina

Mal ´ne doofe Frage,... Du kennst nicht zufällig eine Webseite, die mich auf den richtigen Weg bringt. Also, Meßpunkte etc ( duck und weg ) ;D
 
Wie stellst Du eigentlich fest, ob nicht einfach nur das Bios zerschoßen ist? ???

Sorry, für Doppelpost. Aber, fiel mir gerade ein und es ist natürlich wichtig, diesen Fehler erst einmal auszuschließen, bevor es ans Durchmessen geht.
 
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