Zusätzliche Rentenversicherung - ist meine Mathematik falsch oder wo liegt der Haken?

mj

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Ich habe mich in den letzten Tagen mal rein aus Interesse mit einer zusätzlichen Rentenversicherung beschäftigt. Zum Einen, weil mein Arbeitgeber eine Art Betriebsrente anbietet, die über einen Dienstleister der Deutschen Bank abgewickelt wird, zum Anderen weil gestern wieder mal ein ungebetenes Angebot eines großen Deutschen Versicherers im Briefkasten lag. Aber irgendwie komme ich bei beiden auf keinen grünen Zweig, denn in beiden Fällen besagt meine Mathematik, dass man Geld verlieren würde.

Direkt vorab: die Formel, die der Zinseszinsberechnung mit monatlicher Einzahlung zugrunde liegt lautet:

Im ersten Jahr: B * (12 + 6,5 * z)
Ab dem 2. Jahr: J[SUB]n-1[/SUB] * (1 + z) + J[SUB]0[/SUB]
usw.

B = Monatliche Rate
z = Zins in %
J[SUB]0[/SUB] = Betrag am Ende des ersten Jahres
J[SUB]n-1[/SUB] = Betrag am Ende des vorangegangenen Jahres

Die Mathematik dahinter ist, soweit ich das beurteilen kann, korrekt. Herleitung lässt sich recht gut hier finden: http://www.uni-protokolle.de/foren/viewt/215845,0.html

Betriebsrente
Bei der Betriebsrente ist eine Beispielrechnung aufgeführt: bei 100€ Abzug vom Bruttogehalt würde ich angeblich monatlich 50€ netto "verlieren" (was nicht stimmt, es sind 60€, aber für die Rechnung tut das nichts zur Sache). Bei 36 Jahren Einzahlung stehen imposant große Zahlen vorne auf dem Deckblatt: 21.600€ Gesamtaufwand, Kapitalauszahlung ca. 130.000€. Dass diese Summe nicht garantiert ist, sondern bei angenommener jährlicher Verzinsung von 6% unter Umständen ausgezahlt werden könnte, steht im Kleingeschriebenen - garantiert werden gerade mal 43.200€, was exakt 36 Jahre à 12 Monate à 100€ entspricht, also 0% Zinsen. Das heißt im Zweifelsfall ist das der Betrag, mit dem ich rechnen kann - alles andere hängt vom guten Willen der Bank ab und einer Bank traue ich nicht weiter als ich einen Konzertflügel werfen kann. Wenn man dann noch Steuern und Abgaben abzieht komme ich auf vielleicht 30.000€ Auszahlung bei insgesamt tatsächlich 26.000€ Einzahlung.

Wenn ich hingegen monatlich 60€ auf ein Tagesgeldkonto lege reichen bereits 0,9% Zinsen aus um dank Zinseszinseffekt auf 30.000€ zu kommen, bei angenommenen 3% Verzinsung (was auf derart lange Zeiträume durchaus realistisch sein müsste) komme ich auf über 46.000€.

Zusatzrente
Dieses Angebot ist noch frecher. Bei einer angenommenen Einzahlung von 50€ monatlich komme ich laut Beispielrechnung bei 33 Jahren Einzahlung auf 19.800€ Gesamtaufwand. Garantierte Auszahlung sind eine monatliche Rente von 75,67€ über 15 Jahre, also 13.620€. Alternativ eine Einmalauszahlung von etwas über 23.000€, was einer Verzinsung von gerade mal 1% entspricht. Auch hier sind die großen Zahlen auf dem Deckblatt natürlich ganz anders -145€ monatliche Rente oder 35.000€ Einmalauszahlung, aber auch hier im Kleingedruckten der Haken. Laut Kleingedrucktem wird das Versicherungsguthaben mit 1,75% pro Jahr verzinst, alles darüber hinaus ist optional. Bei 50€ monatlich und 1,75% komme ich jedoch nach 33 Jahren auf 26.743,78€ - eine Differenz von 13% oder fast 3.400€ die der Bank zufallen. Im Fall der monatlichen Rentenauszahlung sind das sogar 96% und über 13.000€ Gewinn für die Bank.

Jetzt frage ich mich natürlich ob ich falsch rechne, oder ob die Banken tatsächlich so frech sind und die Menschen mit großen Zahlen ködern um nachher das Geld zu kassieren. Schließlich können sich beide Banken in dem Fall auf das Kleingedruckte berufen, nämlich dass ich am Ende gerade mal das rausbekomme, was ich eingezahlt habe. Inflationär bereinigt verliere ich also in beiden Fällen eine Menge Geld. Warum sollte man einen solchen Vertrag also überhaupt abschließen? Ist das wieder die typische Gier-kill-Hirn Masche bei der die Menschen nur die großen Zahlen sehen, das Kleingedruckte jedoch geflissentlich überspringen? Denn selbst, wenn ich die aktuellen Mickerzinsen von 1,05% - 1,5% als Grundlage für die nächsten 36 bzw. 33 Jahre nehme, komme ich noch immer besser weg als mit diesen beiden Angeboten. Ich werde nicht schlau daraus...

Noch ein Zusatz, damit keine Mißverständnisse aufkommen: ich habe keinerlei Interesse an einer zusätzlichen Rentenversicherung, also bitte keine "ich bin hier und dort, die haben das beste Angebot" Antworten. Mich interessiert lediglich die Finanzmathematik dahinter.
 
Warum sollte man einen solchen Vertrag also überhaupt abschließen? Ist das wieder die typische Gier-kill-Hirn Masche bei der die Menschen nur die großen Zahlen sehen, das Kleingedruckte jedoch geflissentlich überspringen? Ich werde nicht schlau daraus...

Dass jemand an derartigen Verträgen verdient (und das nicht zu knapp) sollte niemanden verwundern. Die Banken nutzen die Rentenpolitik der letzten Legislaturperioden halt so aus, wie es erlaubt ist. Und da bleibt ein gutes Stück vom Kuchen für die Geldinstitute übrig.

Meiner Meinung nach ist deine Frage aber dennoch zu beantworten. Und zwar auch mit der menschlichen Psyche.

Jeder, der das ernsthaft durchrechnet wird merken, dass er weniger erzielen kann, als wenn er sich selbst um seine Geldanlagen kümmert. Du schreibst selbst, was du haben würdest, wenn du jeden Monat 60 Euro auf ein Tagesgeldkonto überweisen würdest. Aber Hand aufs Herz: Tust du das auch? Oder rechnest du nur, um zu wissen, was die theoretisch entgeht? Das ist nämlich das häufigste Argument gegen einen solchen Vertrag: Mit xyz könnte ich mehr erreichen - es setzen aber auch nur die wenigsten wirklich in die Tat um. Das ist der berühmte Spatz in der Hand gegen die Taube auf dem Dach. Letztendlich haben meistens die mit einer Zusatzversicherung zum Zeitpunkt X einen Geldbetrag Y auf dem Konto, während die, die sich nur immer um den theoretischen Nachteil gekümmert haben, nichts oder deutlich weniger haben.

Hinzu kommt der weitere psychische Faktor, dass man bei einem Tagesgeldkonto, also einem Konto, welchem man relativ einfach habhaft werden kann, hin und wieder geneigt sein könnte, den eigentlich für einen völlig anderen Zweck gedachten Rückhalt anzugreifen. Dreißig Jahre lang monatlich 60 Euro auf ein Konto zu zahlen, an welches ich rankomme, ist denkbar ungünstig, um das Ziel zu erreichen, im Alter mehr Geld zu haben. Die Versuchung, das Geld anzugreifen, kann einfach zu groß werden. Der Psyche fallen da immer die tollsten Notsituationen ein, um den Zugriff auf die Altersvorsorge vor einem selbst zu rechtfertigen.

Weiterhin könnte es im Falle von Arbeitslosigkeit auch dazu kommen, dass man gezwungen wird, das ersparte Geld auf einem Tagesgeldkonto aufzubrauchen, bevor es Geld vom Amt gibt. Damit würde das eigentliche Ziel total torpediert. Da ist eine Zusatzversicherung im Moment noch etwas sicherer (zumindest solange, wie sich die Gesetzgeber nicht etwas neues ausdenken).

Letztendlich muss jeder für sich entscheiden, welchen Weg man geht. Ein Weg bringt den Banken Geld (und zwar nicht wenig), bringt auf der anderen Seite aber eine gewisse Garantie mit sich. Der andere Weg hat aber auch ein paar Stolperfallen, und eine große davon ist der eigene Charakter. Schafft man es, eisern jeden Monat etwas zur Seite zu legen und das nicht anzugreifen, so hat man gewonnen. Aber meine Erfahrung sagt, dass das nur die Allerwenigsten schaffen (würden).

Und eins noch: Seit der Wiedervereinigung ist das Zinsniveau nahezu kontinuierlich gefallen. Drei Prozent, wie du sie als realistisch siehst, sehe ich noch eine ganze Weile nicht auf uns zukommen. Meiner Meinung nach sollte man froh sein, wenn man in den kommenden dreißig Jahren im Durchschnitt zwei Prozent bei festverzinslichen Anlagen erzielen kann. Aber selbst das ist in der momentanen Situation eine hohe Hürde. Dass die sechs Prozent im Kleingedruckten natürlich noch weniger realistisch sind (wobei man hier vielleicht auch andere Anlagen als festverzinsliche Wertpapiere nutzen könnte) dürfte klar sein.
 
Ok, den psychischen Effekt kann ich durchaus nachvollziehen. Vor allem, dass es eine gewisse Selbstbeherrschung braucht um das Geld tatsächlich in Ruhe zu lassen statt es für die schnelle kurzfristige Befriedigung auszugeben. Allerdings ist der Preis meiner persönlichen Ansicht nach zu hoch um dies aufzuwiegen, aber das mag meine eigene subjektive Einstellung sein. Wir schaffen es mit meiner Frau ja auch knapp 50% unseres Nettogehalts jeden Monat anzusparen weil wir es eben nicht für sinnlose Dinge verballern. Aber ich hab in so unfassbar vielen Angelegenheiten schon bemerkt, dass ich der Geisterfahrer bin, dass mich das auch nicht weiter verwundert ;)

Die 3% auf's Tagesgeld waren auch nur mal als Beispielrechnung. Dass es gerade für solche Geldanlagen bessere Methoden gibt, zum Beispiel internationale ETFs oder passive DAX Indexfonds, ist mir klar. Allerdings stünden die Bank damit noch schlechter da, denn die Langzeitentwicklung dieser Anlagen ist noch positiver als das Tagesgeld. Und aktive Fonds sind in meinen Augen nichts weiter als eine Gelddruckmaschine für die Anbieter, betrachtet man die mal wirklich im Detail fressen die Gebühren meist den zu erwartenden Betrag gänzlich auf.
 
Ok, den psychischen Effekt kann ich durchaus nachvollziehen. Vor allem, dass es eine gewisse Selbstbeherrschung braucht um das Geld tatsächlich in Ruhe zu lassen statt es für die schnelle kurzfristige Befriedigung auszugeben. Allerdings ist der Preis meiner persönlichen Ansicht nach zu hoch um dies aufzuwiegen, aber das mag meine eigene subjektive Einstellung sein.

Den "Preis" für die Sicherheit empfinde ich auch als zu hoch. Ich denke jedoch, dass hier der Gesetzgeber, dem die Banken dieses "Geschenk" zu verdanken haben, engere Grenzen hätte setzen müssen. Da das nicht passiert ist und wohl auch nicht passieren wird, muss jeder für sich entscheiden, welche Nachteile er bereit ist, in Kauf zu nehmen. Ich denke, der Bankenanteil wird von Angebot zu Angebot schwanken. Wenn man sich etwas "günstiges" raussucht, wird man damit vielleicht besser leben können.



Wir schaffen es mit meiner Frau ja auch knapp 50% unseres Nettogehalts jeden Monat anzusparen weil wir es eben nicht für sinnlose Dinge verballern. Aber ich hab in so unfassbar vielen Angelegenheiten schon bemerkt, dass ich der Geisterfahrer bin, dass mich das auch nicht weiter verwundert ;)

Ich sitze bei diesem Thema ein wenig zwischen den Stühlen. Ich buttere nur in zwei Sachen Geld: Mein Haus und mein Hobby. Ansonsten bin ich ziemlich anspruchslos und kann deshalb auch den einen oder anderen Euro beiseite legen. Trotzdem habe ich noch die eine oder andere Zusatzversicherung, weil ich persönlich lieber etwas mehr Sicherheit bevorzuge und daher den Spatz in der Hand wähle.

Wenn wir das Thema mal wieder mit meiner Freundin besprechen, dann fragt sie mich auch immer wieder, warum ich das gemacht habe. Es kommt dann auch immer das Argument, dass es zu teuer wäre und man mehr erzielen könnte. Sie spart aber auch nicht gezielt darauf hin, sodass sie das beste Beispiel dafür ist, wie man den theoretischen Nachteil zwar berechnet, in der Praxis aber nichts tut.
 
@mj:

ich glaube, bei der Betriebsrente machst du einen Denkfehler. Du ignorierst die persönlichen Steuersätze im Zeitraum der "Ansparphase" und im Zeitraum der "Auszahlungsphase".

Bei beiden Modellen - egal ob Betriebsrente oder Zusatzrente - spekuliert man darauf, dass die eigene Belastung im Alter niedriger ist.

--

Das beide Varianten teuer sind liegt in der Natur der Sache, denn die Versicherer müssen Personal/Provisionen, Marketing/Werbung und Dividenden mit rein rechnen. Das ist auch der Grund, wieso die gesetzliche RV grundsätzlich stabiler ist und erst durch Gesetzesänderungen im Rentenniveau gekürzt worden ist.

 
Weiterhin darfst Du einen weiteren Punkt nicht vergessen: Bei der klassichen Entgeltumwandlung vom Lohn gibt es auch Rahmenverträge für Firmen. So hat mein Arbeitgeber "all seine Versicherungen" bei der Allianz, entsprechend läuft auch die Rentenvorsorge darüber. Der Arbeitgeber gibt hier 50€ Extra pro Monat dazu, die ich sonst nicht bekommen würde. Klar, bei kleineren Firmen kann man da bei der Gehaltsverhandlung sicher sagen: Ich nehm das Geld lieber selbst und hau es auf mein eigenes Festgeld-/Tagesgeldkonto. Aber bei den meisten Mittelstandsunternehmen, und vorallem Großunternehmen ist das eben nicht so. Und das macht dann schon was aus ob Du einfach nur 100€ von Deinem Brutto einzahlst, oder eben noch zusätzliche 50€

Achja, die auszuzahlenden Beträge musst Du dann eh versteuern, ich glaub das fehlt in Deiner Rechnung genau so wie die Gewinnbesteuerung von 25% beim Tagesgeld ;)
 
yasu: der Steuersatz, bzw. meine Steuerersparnis, ist da bereits mit eingeflossen.

Neo: klar, wenn der Arbeitgeber noch etwas dazulegt kann sich das durchaus lohnen. Ist bei mir leider nicht der Fall, es wird lediglich ein Betrag X von meinem Bruttogehalt direkt abgezogen und in die Betriebsrente gesteckt, was zu einem Betrag Y niedrigeren Nettogehalt führt. Würde der Arbeitgeber die in dem Fall eingesparten Sozialbeträge hinzugeben würde sich die Sache wieder rentieren, aber so leider nicht.

Bei der Steuer bin ich glaube ich soweit korrekt vorgegangen. Die BV kann ich mir auf einen Schlag auszahlen lassen, muss diese aber dann entsprechend versteuern. Lege ich das Geld hingegen auf lange Zeit an muss ich nur 25% auf die Zinserträge zahlen, nicht jedoch auf den Betrag der auf dem Konto liegt.
 
yasu: der Steuersatz, bzw. meine Steuerersparnis, ist da bereits mit eingeflossen.
Ach ja? An welcher Stelle? Ich hab den Thread jetzt 3x gelesen und dazu nichts gefunden...

Bisher bin ich davon ausgegangen, dass deine Berechnungen vor Steuern sind und neben jenen "nur" die Kosten der Versicherung unberücksichtigt geblieben sind.

Bzgl. der Vermeidung von Steuern durch Neuanlage - ich sag es mal so - hat beim Uli auch nicht geklappt.


Dem FA und der Krankenkasse wird es relativ Wurst sein, ob du dir alles auf einmal oder in monatlichen Raten auszahlen lässt und was du mit dem Geld im Anschluss machst. Entspricht auch meiner Erfahrung in der Praxis. ^^
 
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Ich habe vor ein paar Wochen auch bißchen gerechnet und meine PRV mit über 1000€ Verlust, aber trotzdem Erleichterung zurückgekauft. Rate mal warum....
 
Ich hab ich jetzt nochmal explizit beim Steuerberater nachgefragt und mich schlaugemacht: es gibt keine weiteren steuerlichen Vorteile außer der Steuerersparnis die dazu führt, dass ich bei 100€ brutto weniger im Endeffekt netto nur 60€ spüre. Ansonsten gibt es nichts. Wenn ich vom Netto mein Geld abzwacke spare ich logischerweise nichts.

Außerdem lag ich mit meiner Vermutung richtig: lasse ich mir zum Stichtag mein Geld von der BV am Stück auszahlen, muss ich dafür nach derzeitigem Recht 25% abgeben - von den 43.200€ blieben mir also gerade mal knapp 32.000€ übrig. Lege ich das Geld hingegen im Laufe der Jahre auf mein eigenes Konto muss ich lediglich die Zinserträge mit 25% versteuern, nicht jedoch den angesparten Betrag.
 
[...]Außerdem lag ich mit meiner Vermutung richtig: lasse ich mir zum Stichtag mein Geld von der BV am Stück auszahlen, muss ich dafür nach derzeitigem Recht 25% abgeben - von den 43.200€ blieben mir also gerade mal knapp 32.000€ übrig. Lege ich das Geld hingegen im Laufe der Jahre auf mein eigenes Konto muss ich lediglich die Zinserträge mit 25% versteuern, nicht jedoch den angesparten Betrag.

Was is eine BV? Die klassische Entgeltumandlung? Wie kommt der Steuerberater da auf 25%?
 
Außerdem lag ich mit meiner Vermutung richtig: lasse ich mir zum Stichtag mein Geld von der BV am Stück auszahlen, muss ich dafür nach derzeitigem Recht 25% abgeben - von den 43.200€ blieben mir also gerade mal knapp 32.000€ übrig.

Hast du bzw. hat er die anfallende Krankenversicherung berücksichtigt?
 
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